CROSS CULTURAL MEDIA / 2013

DEUTSCH/ÄGYPTISCHE ETHNOGRAPHIEN POLITISCHER TRANSFORMATION

RESULTS | REPORT

Neue Medien dienen als populäre Vermittlungsträger zivilgesellschaftlicher Entwicklung. 23 Studierende der Hochschule Furtwangen und der German University in Cairo erstellen transkulturelle Videodialoge zu aktuellen gesellschaftlichen Transformationsprozessen in Ägypten. Der Fokus des einwöchigen Workshops im Mai 2013 lag auf der Beobachtung von Rollenmodellen und Verkörperungspraktiken in familiären Strukturen.

CROSS CULTURAL MEDIA ist ein Projekt von Daniel Fetzner in Zusammenarbeit mit Marion Mangelsdorf, Magdalena Kallenberger, Nikolaus v. Wolff, Iman Kamel und Ute Freund. Es wird finanziert aus Mitteln des Auswärtigen Amts über das DAAD-Programm zur Förderung zivilgesellschaftlich-demokratischer Strukturen und des Transformationsprozesses in Tunesien und Ägypten. Mit freundlicher Unterstützung des Goethe Instituts Kairo.


Im Zentrum des Projekts steht die mediale Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Transformationsprozessen in Ägypten

Insgesamt 23 Studierende und 7 Dozenten aus Deutschland und Ägypten erstellen in interkulturellen Teams Produktionen zum Thema gesellschaftliche Transformationsprozesse mit dem Schwerpunkt auf gesellschaftliche Rollenmodelle. Die Gruppen zu konstituierten sich bereits im Vorfeld über kleine ethnografische Skizzen bzw. Selbstportraits, die in Furtwangen bzw. Kairo angefertigt und via Skype diskutiert wurden.

TeilnehmerInnen Furtwangen: Frank Bieselin, Jenny Susanne Forc, Jonas Konstandin, Manuel Kalla, Metin Ebru, Selam Zerai, Silvia Rudigier, Simon Schwab, Sonja Christner und Tobias Hornstein
TeilnehmerInnen Kairo: Shaimaa Elgawady, Sarah Amir, Sara Sallam, Salma Amir, Nora El Falaki, Nadia Wernli, Doha Mahmoud, Dina Hany, Rewan Gamaly, Chitra Kalyani, Mona Diab, Ghada Fikri und Nadia Mounier

Die Workshopwoche in Kairo begann mit der Umsetzung der audio-visuellen Gruppenentwürfe, die bereits im Vorfeld konzipiert waren. Hierfür wurden Beobachtungen innerhalb familiärer Strukturen der ägyptischen Studierenden mit den gewählten Medienformaten dokumentiert. Der Blick richtete sich dabei im transnationalen Perspektivwechsel auf die kleinen Gesten des Alltags und »Körpermikropraktiken« (Downing 2002).

Im Anschluss an diese gemeinsame Erfahrung wurde aus dem gewonnen Material (Video, Sound, Interviews, Skizzen, Text) von den TeilnehmerInnen eine jeweils eigenständige, künstlerisch-ethnographische Interpretation erstellt. Textfragmente aus Mails, persönlichen Notizen - beispielsweise über die veränderte Wahrnehmung der eigenen Familie nach der Rückkehr - sind auf einer Kommentarebene mit eingeflossen.

Die Studierenden konnten sich bei diesem Prozess ihrer eigenen kulturellen Besonderheiten, ihrer Identitäten und damit dem Thema der gesellschaftlichen Transformation spielerisch, ironisch, unbewusst oder mit Kalkül annähern.

Während der Workshopwoche entstanden so erste Protoypen, die in einem Werkstattgespräch im Artewella Art Center präsentiert wurden. Die fertigen Arbeitsergebnisse wurden auf der Tagung der Forschungsgruppe mbody »Körper - Medien - Sinnlichkeit« im Juli 2013 im E-Werk Freiburg einer breiten Öffentlichkeit gezeigt. In Kairo die Arbeitsergebnisse in Form einer Ausstellung in der DAAD-Aussenstelle in Kairo präsentiert.

Darüberhinaus können die Workshopergebnisse im Internet andere DozentInnen verschiedener Genres und Wissenschaften zur Nachahmung und Diskussion anregen.



»You have to manoeuvre your chair so that you are sitting right next to the man you are doing business with. When you have secured this position, you then shout down his right or left ear, depending on which side you are on. You continue to pound his ear with your propositions until he agrees with them. He is unlikely to give any trouble as he is suffering from numerous distractions from various angles, and acquiescence is usually the easiest way out.«

zitiert nach Lewis (1999) When Cultures Collide

Körpermikropraktiken - Zwei Beduinen im Gespräch. Abu Zenima, Sinai (2011)





»It is the personal words about freedom, which know how to define the family, society and the state. Words that create a state of uncertainty inbetween both sides. Only penetration produces this openness. But openness is at the same time both a weakening and a strengthening. To endure the influx of the Other to the limits of identity, to lose only oneself, can be the way to find oneself.«

Rauminstallation von Simon Schwab, Nadia Wernli, Tobias Hornstein und Doha Salah

Theorie-Praxis-Workshop ›Nomadic Transformation‹

Durch das Begleitseminar und eine Einführung vor Ort wurden durch praktische Beispiele und Texte Anregungen zum Thema gesellschaftliche Transformation mit auf den Weg gegeben.

Anhand der Analyse exisitierender Anwendungen in sozialen Netzwerken aus dem interkulturellen Kontext sowie ausgewählter Positionen aus zeitgenössischen Filmen/Videos erfolgte eine Sensibilisierung für das Thema der Rollenbilder. Der Workshop schuf so eine sehr intensive und vertrauensvolle Atmosphäre, in der beide Seiten einander ebenso selbstbewusst wie respektvoll begegnen konnten, das heißt Gemeinsamkeiten ebenso wie Differenzen artikulieren konnten.

Projektleiter – Prof. Daniel Fetzner


Daniel Fetzner war von 2002 bis 2014 Professor an der Hochschule Furtwangen. Zwischen 2009 und 2011 leitete er das Media Design Department an der GUC und kehrte nach einer zweijährigen Beurlaubung 2011 an die Hochschule Furtwangen zurück.

Die Lehrmethode von Daniel Fetzner basiert auf der Durchführung von intermedialen und experimentellen Produktionen und deren medientheoretischen Reflektion. Seit mehreren Jahren entstehen so in den Grundlagenfächern Medienkonzeption, Mediengestaltung und Medienwissenschaften Arbeiten zur Remix-Kultur der digitalen Medien. 2007 erfolgte das erste Cross Cultural Medienoprojekt in Zusammenarbeit mit dem Filmemacher John Rubin und Studierenden am Purchase College in New York. Die Ergebnisse dieser Kooperation sind unter http://webuser.hs-furtwangen.de/~ccwebs im Internet dokumentiert. 2009 erfolgte ein Videodialog zwischen ägyptischen und amerikanischen Studierenden und 2011 zwischen deutschen und ägyptischen Studierenden, siehe http://cross-cultural-video.com

Projektkoordinator an der GUC – Prof. Nikolaus von Wolff

Nikolaus von Wolff leitet in der Nachfolge von Daniel Fetzner seit 2012 das Media Design Department an der GUC.

Er beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit medialen Interventionen im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und hat dabei, neben der ersten TV-basierten Kampagne zur AIDS Prävention in der VR China, Social Media basierte Beiträge zur Infrastrukturentwicklung und zur Hochschulreform in Äthiopien entwickelt und produziert. Mit dem Schwerpunkt »Role Modeling« und »Urban Media« arbeitete er mit Daniel Fetzner bereits während des Sommersemesters 2012 an der HFU zusammen, um Konzeption und Umsetzung cross-medialer Themen und Anwendungen mit Studierenden in einer Workshopstruktur zu erproben.

Projektleiterin an der GUC - Magdalena Kallenberger

Magdalena Kallenberger lehrt seit 2010 als Lecturer im Bereich Video/Film am Media Design Department der GUC. Seit ihrem Diplom- und Meisterschülerstudium an der Universität der Künste Berlin arbeitet Magdalena Kallenberger in verschiedenen internationalen, künstlerischen Forschungs- und Kulturprojekten in Berlin, London, Teheran und Kairo. Ausgangspunkt ihrer interkulturellen Kollaborationen bildete die künstlerisch-wissenschaftliche Untersuchung und Hinterfragung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Orient und Okzident hinsichtlich der Produktion von Bildern und Kunst. 
Mit Daniel Fetzner kooperierte sie bereits 2010/11 für das künstlerische Forschungsprojekt CairoRoundabout. Hierbei war sie für die administrative Organisation und die Koordination der studentischen und akademischen Mitarbeiter an der GUC verantwortlich. Neben der Vermittlung theoretisch-konzeptioneller Fähigkeiten und technisch-praktischer Fertigkeiten im Bereich Media/
Videoproduction nimmt sie die transkulturellen Videodialoge zum Anlass, den von der GUC gewünschten Austausch zwischen ägyptischen und deutschen Studierenden zu unterstützen.

Projektleiterin an der Universität Freiburg - Dr. Marion Mangelsdorf

Marion Mangelsdorf ist seit 1998, Referentin und Lehrbauftragte am Zentrum für Anthropologie und Gender Studies (ZAG) der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Als Kulturwissenschaftlerin (promoviert seit 2005) beschäftigt sie sich mit gendersensiblen und postkolonialen (Medien-)Theorien, insbesondere in der Rezeption von ästhetisch-künstlerischen Prozessen wie Film/Videoproduktionen. Im Juni 2011 organisierte sie gemeinsam mit Fetzner die Veranstaltung ‘Hybride Körper – Werkstattgespräche CairoTraces’ im Alten Schulhaus Vogelbach, wo sie seit 2007 als Leiterin Veranstaltungen im Brückenschlag zwischen Kunst und Wissenschaft koordiniert. Die Werkstattgespräche waren eine Veranstaltung der Forschergruppe „mbody - künstlerische Forschung zu Körpergedächtnissen in Medien, Somatik, Tanz und Philosophie“, durch die sie seit 2008 in engem Forschungsaustausch mit Daniel Fetzner steht. In ihrem Beitrag zu den Werkstattgesprächen hat sich Mangelsdorf intensiv mit den beiden Videoprojekten CairoRoundabout von Daniel Fetzner auseinandergesetzt. Zudem war sie im Juni 2011 als externe Gutachterin zur Beurteilung der Bachelor-Abschlussarbeiten am Media Design Department der German University Cairo (GUC) eingeladen. Sowohl durch ihre Erfahrungen mit Studierenden an der GUC und an der HFU, mit denen sie durch Workshops und Interviews ins Gespräch kam, als auch durch die im hochschulüberschreitenden Dialog mit Daniel Fetzner gewonnen Einschätzungen, hat sie den DAAD-Antrag mitentwickelt.

Begleitung durch professionelle Filmemacherinnen

Die Filmautorinnen Iman Kamel und Ute Freund arbeiteten parallel zu den Studierenden und erstellten eine Videodokumentation im transkulturellen Austausch. Sie spiegeln dabei ein international bereits gängiges Crossover der Kulturen wieder; ein Zirkulieren von Ideen, Theorien und Praktiken. Es fand nicht nur ein »Nomadic Theorizing« (Clifford Geertz, Dorinne Kondo, Edward Said und Gayatri Chakravorty Spivak), sondern auch ein »Nomadic Practicizing« statt.

Iman Kamel, gebürtige Ägypterin, studierte Freie Kunst, Tanz und Film an der Universität der Künste Berlin. Sie realisierte als Produzentin und Regisseurin mehrere kurze Filme. Ihr Kurzfilm HOLOGRAM (10 Min.) erhielt den EuroMed Preis, ihr erster langer Dokumentarfilm BEIT SHA'AR (NOMAD's HOME) läuft aktuell auf mehreren Internationalen Festivals wie dem Dubai International Film Festival, FESPACO, dem Malmo Arab Film Festival und ist im renommierten Yamagata Film Festival Japan im Wettbewerb aufgenommen worden. Der Film BEIT SHA'AR erhielt mehrere Preise, darunter den Special Mention Prize der Jury in Dubai als auch für die beste Regie und die beste Kamera auf den 11. Independent Film Festival in Goethe Kairo. Kamel engagiert sich zusätzlich in der kreativen Arbeit mit Video und Film mit ImmigrantInnen in Berlin und Kairo. Aktuell arbeitet sie an ihrem ersten Spielfilm JEANNE D'ARC MASRIYA (DIE ÄGYPTISCHE JEANNE D'ARC), der die Zeugnisse der Frauen der Ägyptischen Revolution in einer  mythisch-fiktiven-dokumentarischen Filmsprache verarbeitet.


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